Ruhe. Ab und an kratzt leise der Borsten eines Pinsels über das Gold. Eine längliche Halogenlampe leuchtet in etwa 20 Zentimeter Höhe über dem Arbeitstisch. Rechts sind sieben Pinsel in unterschiedlicher Dicke auf einer Pinselablage aufgereiht, links reihen sich einige Goldfedern. Cindy Weber blickt durch eine große Lupenbrille auf die Feder. Rechts nach oben gestrichen, die Farbe hinterlässt einen blauen Ton auf der goldenen Feder. Der Strich verdickt sich dabei zum Federstumpf hin. Hier entsteht die Bicolorierung der Füllfederhalterfedern.
Cindy Weber macht das schon seit 15 Jahren für die Schreibgerätemanufaktur Cleo im brandenburgischen Bad Wilsnack. „Dazu gehört eine ruhige Hand und ein konzentriertes Auge“, sagt sie. Je nach Feder dauert die Arbeit unterschiedlich lange: Die 18-Karat-Gold-Feder, die sie gerade für den Skribent-Füller bepinselt, ist schon sehr aufwändig: Sieben Stück pro Stunde schafft sie davon.
Cleo Skribent ist für diese Feinarbeit bekannt. „Hier muss alles stimmen“, beschreibt Mathias Weiß, zusammen mit seiner Schwester Anja Weber Geschäftsführer der Firma. „Die filigrane Arbeit, aber auch die Beschaffenheit des Lackierlacks.“ Denn der muss dann die verschiedenen nachgelagerten chemischen Prozesse gut überstehen, „ein Betriebsgeheimnis“, so Weiß über die konkrete Vorgehensweise und chemische Zusammensetzung des Lacks.
Dabei dient die Bicolorierung nur einem einzigen Zweck: der Verzierung. Das Wechselspiel aus goldenen und silbernen filigranen Strukturen auf den teuren Goldfedern beeinflusst in keiner Weise den Schreibfluss, sondern unterstreicht ausschließlich die Schönheit und Wertigkeit des Schreibgeräts visuell. Und die Qualität dieser Arbeiten aus Bad Wilsnack ist unerreicht durch die Konkurrenz, Cleo gilt hier als ein „hidden Champion“, als exquisite Manufakturwerkstatt, deren Arbeiten auch gerne andere Firmen in Anspruch nehmen.
Cleo Skribent: entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg
Cleo weist dabei eine lange Tradition als Schreibgerätemanufaktur auf: „Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen gegründet“, beschreibt Geschäftsführerin Anja Weber, „damals gab es einen Mangel“. Wie die alten Ägypter musste Großes geleistet werden mit begrenzten Mitteln, „sodass die Angestellten ihr erstes Schreibgerät in Anlehnung daran Cleopatra nannten“. So wird es in der Firma erzählt. Später wurde dann daraus der Firmennamen Cleo.
Die Manufaktur durchlebte jedenfalls eine wechselvolle Geschichte. Zu DDR-Zeiten versorgte sie als VEB Cleo Bad Wilsnack Schreibgeräte-Werkzeugbau den gesamten Ostblock mit Tuschezeichengeräte. Damals entstand auch die Bezeichnung „Skribent“, die hier für eine ausgezeichnete Qualität stand. „Die Tuschezeichengeräte haben sehr genau gezeichnet“, beschreibt Mathias Weiß. Später dann musste sich die Firma aber – wie viele andere Westfirmen auch – nach dem Niedergang diese Schreibgeräte durch die aufkommende CAD-Software für Architekten andere Betätigungsfelder suchen.
Mit der Wende geriet der Betrieb erneut in Turbulenzen, die Produktion brach zeitweise zusammen. Der Vater von Mathias Weiß und Anja Weber kaufte den Betrieb von der Treuhand, machte daraus die Cleo Schreibgeräte GmbH, registriert am Amtsgericht Neuruppin mit der Handelsregisternummer HRB 295. Cleo suchte sich dann Aufträge als Schattenproduzent für viele namhafte Hersteller.
„Aber schnell reifte auch der Gedanke, einen eigene Schreibgeräte-Marke aufzubauen“, beschreibt Anja Weber. Die Firma kam ursprünglich vom Spritzguss, erweiterte die Verarbeitungsmaterialien aber gewaltig – und zeigt auch in den eigenen Schreibgeräte-Linien diese vielfältigen Fähigkeiten. So produziert sie Schreibgeräte in Ebonit, Silber, Aluminium, Edelharz, Holz, Messing und mit Goldanteilen.
Höchste Präzision bei Cleo Skribent
Filigranen Arbeiten und der ordentliche Umgang mit den Materialien ist Bestandteil der Gene von Cleo. „Alle Mitarbeiter würden niemals verschiedene Teile durcheinander werfen, sondern sie werden sehr sortiert und getrennt gehalten“, so Mathias Weiß. „Denn es sollen Kratzer auf den Einzelteilen konsequent vermieden werden.“ Und das bei eine Unmenge an Einzelteilen. Als Beispiel: der Messograf, quasi das Schweizer Taschenmesser unter den Schreibgeräten bei Cleo. Denn neben dem Kuli sind eine Menge weiterer Funktionalitäten verbaut: ein Messschieber in zwei Gleitrillen, ein Reifenprofilmesser, eine Gewindeskala und ein Linea.
Und was von außen kaum wahrnehmbar ist: Zwölf Einzelteile hat der Messograf. Alleine das Montieren von etwa 200 Stück dauert so zwei Tage, „zuvor wurden diese Einzelteile aber aufwändig produziert“, beschreibt Weiß. Als Beispiel nennt er den Korpus. Der war ursprünglich rund und ist jetzt mehreckig. Er war zu lang, musste geschnitten werden. Und er war nicht geschützt, musste veredelt werden. „Und das ist unser einfachstes Schreibgerät“, ergänzt Anja Weber. Andere benötigen noch deutlich mehr Arbeitsschritte und Einzelteile.
Einschreiben der Füller per Hand als Qualitätskriterium
Und auch die Endkontrolle ist tief verwurzelt in den Arbeitsweisen der Manufaktur: Beate Niegel nimmt hier jedes Schreibgerät in die Hand, natürlich mit Handschuhen. Und untersucht nach Funktionalität, Unebenheiten, einfach nach jedem Fehler. Ein wichtiger Punkt: das Einschreiben der Feder. In 8-förmigen Schlangenlinien gleitet die Feder über das Papier, betankt mit einer durchsichtigen Tinte. „Da wird noch einmal jedem Kratzen auf den Grund gegangen“, sagt Niegel. Und im Zweifel dann noch einmal nachgearbeitet.
Auch die Bicolorierung wird hier noch einmal kritisch beäugt: Die ändert nichts an der Schreibqualität, ist reine Zierde. Aber eine sehr aufwändige: Zugespitzt zwischen Mittel- und Zeigefinger hält Cindy Weber den feinen Pinsel fest, an der Spitze glitzert nass die blaue Flüssigkeit. Auf dem Gold der Feder verbleibt als feiner Strich die blaue Farbe. Genau an dieser Stelle wird die Feder später golden bleiben. Das restliche Gold verschwindet dann unter einer Versilberung, angebracht in einem speziellen Bad. Jahrelange Übung und hohe Präzision ist dafür notwendig. Viel Handarbeit, ein echter Luxus eben. Heraus kommt eine bicolorierte Feder, die die Exklusivität der Cleo-Schreibgeräte unterstreicht.