Quelle: Jörg Stroisch

Papierproduktion bei Hahnemühle.

Hahnemühle: Papier als Manufakturarbeit

Luftblasen brodeln und verebben in einer weiß-flüssigen Masse, ähnlich, wie die Brandung des Meeres an einem Strand. Und dann läuft eine weitere ruhige Welle durch die faserige Masse. Das ist der Anfang. Der Anfang der Papierproduktion von Hahnemühle in Dassel. Seit 440 Jahren wird an diesem Standort feines Papier produziert.

Vieles ist altes, traditionelles Handwerk bei der Papierproduktion, wird schon seit Jahrhunderten genauso produziert: Zellulose kommt in den Bottich, Kreide, Stärke, Leim – in welchem Mischungsverhältnis ist hier bei der Papiermanufaktur Hahnemühle strenges Betriebsgeheimnis. Und dann wird gerührt in dieser Bütte, wie dieser Bottich heißt. Die Zellulose vermischt sich mit den anderen Bestandteilen zu einer dünnflüssigen, aber doch durch die Fasern strukturierten Masse, mal sehr weiß, mal schon etwas cremefarben, je nachdem, welches Papier hier entsteht.

Anders, als vor 440 Jahren, als die Ursprünge von Hahnemühle genau hier an diesem Standort begründet wurden, machen das heute Maschinen. Der Bottich ist so groß, dass hier locker ein Kleinwagen hineinpasst. Und der Lärm, röhrend-tief, verschluckt die Sprache. Die Temperatur ist hoch und auch die Luftfeuchtigkeit. Geruch: Fehlanzeige. Das hängt auch damit zusammen, dass der Leim synthetisch ist und nicht aus Tieren hergestellt wird, wie bei vielen Wettbewerbern. So ist das Hahnemühle Papier vegan.

Hahnemühle feiert 440-jähriges Firmenjubiläum

Dass Hahnemühle genau hier seit 440 Jahren existiert, hat einen Grund: das Wasser. Es wird über artesische Brunnen am Ufer des kleinen Fluss Ilme gewonnen und hat seit Jahrhunderten eine besondere Eigenschaft: Es ist sehr sauber und sehr weich. Das Unternehmen besitzt diese Wasserrechte seit 440 Jahren. Und weil es aus Brunnen kommt, muss es deshalb das Wasser nicht vorreinigen, sondern kann es sofort für die Papierproduktion verwenden.

Ganz zu Beginn stellte die Papiermühle Papier aus alten Lumpen her. Nachhaltig schon von Anbeginn. Erst später kamen Baumfasern zu Einsatz – auch aus dem nahegelegenem Solling. Heute bezieht Hahnemühle die Zellulose aber aus verschiedenen Ländern, verwendet Holz – “allerdings zu einem viel geringeren Anteil als viele andere”, so Jan Wölfle, Geschäftsführer von Hahnemühle. So produziert man hier zu etwa 50 Prozent holzfreies Papier aus schnellwachsenden Pflanzenfasern; andere schaffen eher 1 bis 5 Prozent. Stattdessen stammen die Fasern aus Bambus, Zuckerrohr, Baumwolle, Hanf, Algave und bald auch aus Ananas, “zum großen Teil aus den Abfällen, die beim Anbau dieser Pflanzen für andere Zwecke übrig bleiben”, so Wölfle.

Produktfoto zum Hahnemühle 440th anniversary writing paper set / Product photo from the Hahnemühle 440th anniversary writing paper set (18301000)

Briefpapier zum 440-jährigen Jubiläum

30 edle Briefumschläge und Schreibpapierbögen bietet das Hahnemühle 440th Anniversary Writing Paper Set. Die Jubiläumsbox ist extra zum 440. Firmenjubiläum aufgelegt worden.

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Und daraus entstehen dann zum Beispiel die digital FineArt-Papiere für Fotografien. Weltweit schwören viele Fotografen auf diese Papiere, die eine besonders hohe Altersbeständigkeit bei toller Haptik und besten Eigenschaften zur Farb- und Detailwiedergabe versprechen. Und sie befinden sich damit in einer Tradition von Künstlern: Schon Pablo Picasso fertigte seine Lithografien auf Hahnemühle-Papieren und Salvator Dalì malte darauf.

Und mit My Art Registry transferiert Hahnemühle diese Expertise auch in die digitale Welt, sicherlich erfolgreicher auch als viele andere Papier- und Schreibwarenhersteller, die nur wieder einen neuen Online-Shop aufsetzen. Bald soll es davon die Version 2.0 geben. Selbstredend kommt in dem Unternehmen auch bereits an vielen Stellen KI zum Einsatz.

Von der Bütte in die Siebmaschine

Etwa 500 Kilogramm hat die Charge, zeigt der Bestellschein an. Eucalyptus-Fasern schon in großen Blättern gepresst. Die Zellulose bricht förmlich auf beim Reißen. Warm fühlt sie sich an, weiß. Durchzogen ist sie von langen Rillen. Wären diese nicht da, könnte es auch die Pappe eines Bierdeckels sein. Genauso stabil, vielleicht nicht ganz so dick. In diesem Zustand lässt sie sich aber nicht beschreiben oder bemalen, sie ist reines Rohmaterial. Und dieses Rohmaterial geht dann mit Verschnitt aus der eigenen Produktion – “wir können nicht Altpapier aufnehmen, weil das unsere Papiere verunreinigen würde”, so Bettina Scheerbarth, Pressesprecherin des Unternehmens – und weiteren Zutaten in die Bütte.

Drei Mal um die Ecke, vorbei an den riesigen Bottichen, vergitterte Böden, durch die Wasser ablaufen kann. Und da stehen sie: Die Herzstücke der Papierproduktion von Hahnemühle sind drei Papiermaschinen. Und sie veranschaulichen auch gleich, warum Hahnemühle auf Klasse statt Masse setzt. Selten sind nämlich alle drei Maschinen parallel im Einsatz. Eine wird sogar nur alle paar Wochen angeschmissen.

Beispiel Langsiebmaschine: Das Wasser steht hier fast noch auf der etwa 150 cm langen, weiß-glänzend nassen Bahn, manchmal laufen seichte Wellen darüber. Hier ist es milchig-weiß, in der Hand aber fast durchsichtig, wobei sich die Fasern direkt erspüren lassen. Und hier kommen auch spezielle Filze zum Einsatz, etwa 3 Meter lang. Er fühlt sich an, wie das kurze Haar einer Ziege, “und wird wegen der Beschaffenheit bei einem Aquarellpapier eingesetzt”, so Scheerbarth. Damit bekommt das Papier seine unnachahmliche und von Künstlern gewünschte natürliche Struktur.

Das Papierflies liegt auf einem hellblaue Band – beim genauen Betrachten ein langes Sieb, das der Papiermaschinde den Namen gibt. Ein Effekt der Langsiebmaschine: Die Papierfasern sind gerade ausgerichtet.

Dann übernehmen die Wollfilze die gerade „geborene“ Papierbahn, Sie geben ihm bereits hier Struktur. Auch eine Besonderheit: Oft wird die Struktur erst nach dieser Trockenpartie eingeprägt; hier ist sie elementarer Bestandteil des Papiers.

Gegenüber auf der Rundsiebmaschine hingegen verhaken sich die Fasern. Scheerbarth schätzt, dass von solchen Rundsiebmaschinen – die dem Handschöpfen beim Büttenpapier am nächsten kommen – noch vier bis fünf weltweit im Einsatz sind. Eine davon steht hier, Teile davon gehen auf das Jahr 1871 zurück, dem Beginn der Industrialisierung bei Hahnemühle. Große, filzbespannte Walzen transportieren und trocknen das Papier. Langsam. Zwischendurch wird das Papier auch noch einmal befeuchtet.

Das Rundsieb, das dieser Maschine den Namen gibt, trägt im rechten unteren Rand den Schriftzug Hahnemühle ein und etwas tiefer darunter eine Linie. Das sind die Wasserzeichen. An dieser Stelle lagern sich einfach nicht so viele Fasern ab. Der Hahnemühle-Schriftzug wird im Gegenlicht sichtbar. Der Sinn der Linie: Wenig später reißt exakt hier das Blatt. Der Spalt vergrößert sich binnen zwei Metern auf etwa 10 Zentimetern. Und zeigt die typische Rissstruktur von echtem Büttenpapier. Das typische daran ist eben, dass der Riss überhaupt nicht gleichmäßig ist.

Trockenpartie des Papiers schließt Prozess ab

Es wird wieder warm. In gemächlichen fünf Metern pro Minute wird das Papier zwischen den Filzen über beheizte Walzen durch viele ineinandergreifende Zahnräder transportiert. Die Trockenpartie startet mit 70 bis 80 Grad, steigert sich auf etwa 120 Grad und kühlt dann wieder etwas ab, bevor es zum Maschinenführer Steven Engwer gelangt, der hier die Maschine heute beaufsichtigt, zusammen mit drei Kollegen. “Die Rolle wiegt am Ende etwa 600 Kilogramm”, sagt er. 130 Zentimeter ist sie breit. “Wir können hier Papiere von 60- bis 800-Gramm pro Quadratmeter in der Grammatur fahren, ohne dass wir die Maschine umbauen müssen.” Auch diese Flexibilität ist im Vergleich zu anderen Unternehmen eine Besonderheit.

Impressionen aus der Produktion von Hahnemühle:

Seit 5,5 Jahren arbeitet Engwer schon hier. Es werden sicherlich noch ein paar Jahre werden: Durchschnittlich sind die Mitarbeiter bei Hahnemühle schon 21 Jahre im Betrieb. “Alle Rollerfahnen auf die F-Seite stecken”, steht hier an der Maschine. Und in der Tat ragt mittig ein Streifen Papier aus der Rolle hinaus, identifiziert das erarbeitete Papier.

Im letzten Schritt werden die Papierrollen nochkonfektioniert, also in kleinere Einheiten zerschnitten, geprüft, neu aufgerollt. Bevor sie dann zum Kunden gelangen, in über 130 Länder exportiert werden.

Und dort auch geschätzt werden: Alleine 14 TIPA Awards haben unterschiedliche Hahnemühle-Papiere in den letzten Jahren erhalten. Diese von der Technical Image Press Association vergebenen Auszeichnungen honorieren erstklassige Foto- und Imaging-Papiere. Zahlreiche weitere Auszeichnungen stehen auf der Fensterbank im Büro – und zeigen, dass sich mit Papier immer noch neue Ideen realisieren lassen. Und das in einer hohe Qualität – “made in Germany”.

Autor: Jörg Stroisch

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