Quelle: Jörg Stroisch

Eine Reportage über die Produktion bei Waldmann.

Manuelle Kraft für edle Silber-Schreibgeräte

Waldmann produziert schon seit über 100 Jahren hochwertige Schreibgeräte. Der hohe Anteil manueller Arbeit und Sterling Silber sind dabei die Markenzeichen der Schreibgerätemanufaktur.

Rosa und blau: Die Wiener Gravur strahlt auf dem hellen Tisch förmlich, in intensiven Farben. Mit der rechten Hand stupst Camina Peixoto einen dünnen Stab in einen Zwei-Komponenten-Kleber. Im nächsten Augenblick streicht sie damit durch das offene Loch am Ende der Füllfederhalter-Kappe des Xetra Vienna von Waldmann. Sie stellt die pinkfarbene Kappe in eine Reihe.

Vorsichtig, fast ehrfurchtsvoll greift sie nach dem dünnen Klipp, legt ihn in die dafür vorgesehene Öffnung der Kappe und schraubt mit etwa drei Umdrehungen das Kappenende an. “Das hält jetzt doppelt”, sagt sie. Seit über 8 Jahren arbeitet Peixoto schon bei der Schreibgeräte-Manufaktur Waldmann.

Bildergalerie zum Xetra Vienna:

Über 100-jährige Tradition bei Waldmann

Waldmann ist ein Traditionsunternehmen in der Schreibgerätebranche, und existiert bereits seit 1918. Und hier wird noch voll auf Handarbeit gesetzt, etwa 70 Prozent aller Prozessschritte werden manuell durchgeführt, eben Manufakturarbeit. “Das ist die Besonderheit von Waldmann“, sagt Inhaber Stefan Schnirch, der in der Kommanditgesellschaft seit 2007 als persönlich haftender Gesellschafter fungiert. In der kleinen Betriebsstätte in Birkenfeld, nahe der Schmuckmetropole Pforzheim, sind 15 Mitarbeiter beschäftigt, zum Teil sind sie schon seit Jahrzehnten hier beschäftigt.

Neben der eigenen Schreibgerätelinie ist Waldmann auch als Schattenhersteller für viele andere Unternehmen gefragt. Und setzt dabei selbst auf Kooperationen, die sich einfach auch aus dem Standort Pforzheim ergeben, etwa in Bezug auf die Galvanisierung der Komponenten. “Man kennt sich in Pforzheim untereinander”, so Schnirch. “Und man unterstützt sich auch unkompliziert.” Nicht umsonst ist die filigrane Verarbeitung von Schreibgeräten eng mit der Schmuckproduktion verknüpft, viele Techniken und Verfahren werden in beiden Bereichen genutzt.

Das Kaltumformen von Silber

Draußen im Vorraum liegen sie noch im Rohzustand: 3 Meter lange Rohre aus Silber. Im “Schlagraum” dann geht es an die weitere Verarbeitung. Es dröhnt sehr laut. Werkzeugmechaniker Uwe Kuhl, seit elf Jahren bei Waldmann tätig, führt ein etwa 10 cm langes Silberrohr, es ist bereits in der Mitte ausgebohrt, in eine alte Maschine. Die steht hier auch schon seit 1967. Als Schnirch sie vor ein paar Jahren mal warten lassen wollte, musste der Hersteller dafür extra einen Rentner reaktivieren. Und der hat festgestellt : Alles völlig makellos, selbst nach Jahrzehnten der Nutzung.

Bildergalerie zu Rohlingen und dem Kaltumformen von Silber:

Das zuvor erhitzte Silber – “dafür muss man viel Erfahrung haben, damit es nicht verglüht”, so Kuhl – wird hier in die Mitte eines Rondells geführt. Durch Rotation wird das Silber dann in mehreren Schritten verformt. Vorne soll es sich zuspitzen, ein Schaft für einen Kugelschreiber entsteht hier. Etwa 100 Stück davon schafft Kuhl in der Stunde; immer wieder erhitzt er dazu das Silber mit einem Bunsenbrenner auf einer kleinen Schamottplatte. Durch den Prozess verformt sich das Material nicht nur, es verdichtet sich auch. Und es verändert sich in der Länge. Deshalb wird das Stück im Anschluss auch noch mal auf exakte Länge gesägt. Toleranzbereich: Maximal 0,002 bis 0,003 cm. Präzision, die viel handwerkliches Geschick und auch viel Erfahrung benötigt.

Für die Verarbeitung von Silber ist Waldmann bekannt. Die Schreibgeräte der Manufaktur enthalten fast alle 925-Karat Sterling Silber. Und das wird hier in Birkenfeld beginnend mit den 3 Meter langen Rohlingen komplett selbst bis ins kleinste Detail verarbeitet.

Wiener Muster als aufwändige Handarbeit

Exemplarisch dafür steht der Xetra Vienna für die aufwändige manuelleArbeit bei Waldmann. Denn hier wird nicht einfach per Laser graviert, sondern aufwändig von einem Graveur das sogenannte Wiener Muster in das Silber und die Lackierung eingebracht. In sich verschlungene Linien sind das, mal gerillt, mal geradezu geschabt und gehobelt. Ein echter Hingucker und sehr aufwändig: “Acht bis zehn Stücke schafft hier ein Profi”, so Schnirch, “danach muss eine Pause eingelegt werden.” Der Grund: Die Arbeit ist recht anstrengend für das Handgelenk.

So ist es gar nicht so leicht, für diese Arbeiten – wie zum Beispiel das Handgravieren – Nachwuchs zu finden: Der alte Meister arbeitet mittlerweile von Zuhause aus, ist bereits 75 Jahre alt. Aber zum Glück hat Waldmann eine neue Mitarbeiterin ausbilden können. “Solche Techniken gehen sonst für immer verloren”, so Schnirch. Das Wiener Muster entstand dabei wohl in Böhmen, wurde in der k.u.k.-Zeit nach Wien gebracht. Völlig ohne Vorlage wird es von den beiden Waldmann-Mitarbeitern erarbeitet, “und ist durch die Handarbeit jedes Mal ein Unikat”, so Schnirch.

Und eben besonders schön sichtbar auf der Kappe des Xetra Vienna, den Waldmann-Mitarbeitern Camina Peixoto gerade zusammensetzt: Am Ende stehen vier Reihen mit je 15 Füllfederhalter-Kappen in Reih und Glied. Das Royalblau und das kräftige Pink glänzen in der Tischlampe, ohne Makel. “Ich mag sie alle gerne”, sagt Camina Peixoto über die Schreibgeräte von Waldmann. Sie greift nach dem Kappenendstück. Mit ihrem rechten Zeigefinger und Daumen dreht sie es etwa drei Mal. Die Kappe ist fest. Der letzte Arbeitsschritt in diesem kleinen Prozess, aber längst nicht der letzte insgesamt. 16 Einzelteile sind im Xetra Vienna am Ende verbaut.

Autor: Jörg Stroisch

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