
Papiere und Notizbücher sind ja auch ein wichtiges Thema rund ums Handschreiben. Ich selbst habe ja auch ein Notizbuch drucken lassen. Und mir immer wieder auch mal überlegt, das „einfach“ selbst zu binden. So einfach ist das dann leider nicht…
Susanne Heidenreich ist Lehrerin mit einem Faible fürs Handschreiben. In vorherigen Folgen dieses Podcasts ist sie schon zu Wort gekommen. Und besonders interessant fand ich im Gespräch mit ihr auch ihre Versuche, eigene Bücher zu binden.
Wieso Susanne mit dem Buchbinden angefangen hat
„Ich habe das Buchbinden angefangen aus einem sehr lustigen Grund. Ich habe ein Notizbuch gesucht, das verschiedene Papiere hat. Einfach, um die zu testen. Ich habe mir also so ein Papiertestpaket bestellt, da waren ich glaube 20 verschiedene Papiere drin. Und jetzt bin ich jemand, der gerne Papier verlegt. Wenn das nicht in einer gebundenen Form ist, könnte es passieren, dass ich das sehr, sehr schnell verliere. Ist eigentlich jetzt nicht so optimal, dass ich das jetzt hier habe. Dadurch, dass ich mit beiden Händen schreibe, bin ich kein Freund von Ringbindung. Die ist mir einfach immer im Weg, egal, ob ich jetzt mit links oder mit rechts schreibe, die ist im Weg. Und dann habe ich gedacht, ich schaue mal Buchbinden-Videos an. Was ich dann relativ schnell gefunden habe, ist eine Thermobindung. Aber aufgrund der verschiedenen Papierarten ging das überhaupt nicht. Wurde dann aber auf ein Video von weitergeleitet. Und die hat so ganz einfach erklärt, wie man denn ein Buch so ganz schnell binden kann in so einer ganz Standardtechnik. Und dann habe ich mal das erste Notizbuch gebunden, hat auch gut funktioniert. Dann hat mich so das Virus so ein bisschen gepackt.
Dann kam es dazu, dass meine meine Oma eben ein altes Kochbuch hatte, das aus allen Nähten fiel. Und wir wollten das irgendwie retten. Dann haben wir bei einer Buchrestauratorin angefragt. Ich gehe definitiv davon aus, dass sie das wesentlich besser kann wie ich, aber das war einfach für dieses Buch, also war es zuviel für uns. Das ist ein Kochbuch, das ist ja ein Notizbuch, das ist nicht eine Jahrhunderte alte Familienbibel. Also habe ich gesagt, okay, ich schaue mal und habe mich wirklich bei Museen umgeguckt, was die an wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema Buch restaurieren haben. Und habe mir da erstmal theoretisches Wissen angelesen um das Buch zu restaurieren.
Welche Tipps Susanne rund um das Restaurieren von Büchern hat
„Dabei habe ich auch sehr viel darüber gelernt, dass Bücher die über 300 Jahre alt sind, wesentlich besser erhalten sind wie Bücher aus den letzten 250 Jahren. Von den Büchern der letzten hundert Jahre ganz zu schweigen. Die sind also von der Papierqualität her einfach nicht so gut. Das hat was damit zu tun, dass man die Papiere gebleicht hat. Und man Bleiche meistens mit Chlorbleiche gemacht hat. Und das ist nun mal sauer und das zersetzt über die Zeit das Papier. Man kennt es bei den sehr alten Werken von der Eisengallustinte, die ja auch sauer ist und damit auch mit der Zeit das Papier zerfrisst. Das heißt, das Papier ist sehr, sehr säurehaltig und damit brüchig.
Jetzt gibt es verschiedene Methoden, das zu wässern. Man wässert das erstmal, stabilisiert, also spült sozusagen, also man vermindert die Konzentration der Säure, man spült das aus. Das macht man in verschiedenen Wasserbädern. Man darf es auch nicht ins Basische bringen, weil das dem Papier auch wieder schadet. Aber so am Ende wird das so auf ganz leicht basischem PH von 7,2 einstellen. Das ist mit haushaltsüblichen Mitteln machbar alles, es gibt PH-Teststreifen.
Ich persönlich habe allerdings festgestellt, dass es für den Hausgebrauch reicht, das Papier wirklich zu wässern, dass man auf einen PH von 7 kommt. Wenn man in einer Gegend mit kalkhaltigem Wasser wohnt, dann hat das Wasser sowieso einen PH von über 7. Allerdings habe ich für die ersten Waschgänge immer das ganz normale Wasser aus der Wasserleitung genommen, habe es zwar durch einen Filter laufen lassen, aber kein hochgradig reines destilliertes Wasser genommen. Das erst für die letzten zwei Spülgänge. Das hat einfach was damit zu tun gehabt, dass ich einfach gesagt habe am Anfang, ich will es erstmal probieren am Inhaltsverzeichnis, am Stichwortverzeichnis, weil wenn da was kaputt geht, dann ist es nicht so schlimm.
Meine Oma hatte nämlich ein Schulkochbuch und da hat sie halt den Rand benutzt, um ihre eigenen Rezepte reinzuschreiben. Und ich musste ja auch immer testen, mit was hat sie denn geschrieben, kann ich das ganze überhaupt im Wasserbad machen. Oder hat sie da mal mit irgendwas geschrieben, was wasserlöslich ist.
Dann sind natürlich Seiten eingerissen gewesen. Vor allen Dingen an der Seite, wo die Bindung war, war das Papier so beschädigt, dass man was einsetzen musste, damit es wieder funktioniert. Jetzt denkt man sich, oh je, was einsetzen, dann ist das ja in der Mitte viel dicker. Aber es gibt japanisches Papier, das kann man mit etwas Aufwand bei der Suche sich auch in Deutschland bestellen. Das ist sehr dünn, das hat 10 Gramm pro Quadratmeter, teilweise nur 8 oder 5 Gramm pro Quadratmeter. Und damit kann man diese Buchseiten stabilisieren. Da, wo es kaputt ist ganz vorsichtig unterm Mikroskop mit dem Skalpell aufgespalten. Und dann wird diese Schicht Papier als Stabilisator dazwischen geklebt mit speziellem Buchbindeleim. Dadurch kann man das ganze wieder stabilisieren. An der Seite, an der die Bindung war, wird das sehr dünne Papier dann doch nicht für diese Stelle empfohlen. Da sagt man dann, man muss schon mindestens mit 20 Gramm von diesem extrem strapazierfähigen Papier ran.
So habe ich dann Seite für Seite erstmal immer bei der Tinte getestet, ob ich die mit Wasser behandeln kann. Es gibt da auch, wenn das eben nicht funktioniert, spezielle Lösungsverfahren, dass man die Säure trotzdem rausbringt. Man darf halt dann eben wirklich kein Wasser verwenden. Musst du aber auch wieder aufpassen, dass die Druckertinte das aushält. Das ist in diesen wissenschaftlichen Veröffentlichungen sehr genau beschrieben. Die wollen das ja den anderen Museen auch zugänglich machen.
Dann habe ich mich mit meinem doch eingeschränkten Wissen der Chemie und diesen Veröffentlichungen dran gemacht das Buch ganz vorsichtig zu restaurieren. Das hat mich tatsächlich den ganzen Lockdown gekostet. Das war jetzt nicht eine Sache, die sehr schnell geht, das ist extrem aufwändig. Und daher ist der Preis, den Expertin verlangt hat, auch absolut angemessen gewesen. Aber man macht es halt nicht für ein kleines Kochnotizbuch.
Und so bin ich zum Restaurieren von Büchern gekommen. Mittlerweile habe ich ihr zweites Notizbuch auch restauriert soweit. Da muss man allerdings sagen, da wusste ich welchen Stift sie verwendet hat, das war auch weit nicht so beschädigt.“
Wie konkret Susanne ein Buch bindet
„Man faltet ein Blatt Papier zusammen. Dann faltet man noch eines drum herum und noch eines drum herum. Das äußere Papier wird immer weniger das innere Blatt bedecken. Das hat einfach damit was zu tun, dass sich dann das äußere Blatt immer länger machen müsste, damit es halt rumkommt. Das umgeht man beim Buchbinden ein bisschen dadurch, dass man sogenannte Signatures nimmt. Das sind Pakete von Papieren, meistens vier bis maximal acht Blatt, je nach Papierdicke. Je dünner das Papier desto mehr Einzelblatt kann ich da reinpacken. Wenn ich sehr dickes Papier verwende, gehen vielleicht auch nur zwei. Dadurch kann ich das, was ich wegschneiden muss am Ende, damit es glatt wird, minimieren. Auf der anderen Seite habe ich mehr Arbeit danach.
Sobald ich mich also festgelegt habe wie viele von diesen Signatures ich für mein Notizbuch haben möchte und brauche, muss ich mir dann überlegen, wo kommen die Löcher zum Binden hin. Es gibt verschiedene Methoden das zu binden. Die einfachste wäre ein sogenannter Pamphlet Stitch, da kann man aber wirklich nur Bücher mit einer Signatur binden. Das sind diese typischen die man für Travelers-Notebooks-Einlagen verwendet.
Wenn man jetzt die, also wirklich ein Notizbuch haben möchte, bei dem man mehrere von diesen Signatures hat: Als einfachste Bindung ist das ein Saddle Stitch. Man sucht sich eine Anzahl von Bindungsstücken aus, die man haben möchte. Für DINA5 braucht man vielleicht fünf bis maximal acht solcher halt möglichst im gleichen Abstand gehaltenen Löcher. Die macht man da einfach rein direkt an der Falz. Irgendwann habe ich mir dann eine Buchbindenadel, eine gebogene, gekauft, aber am Anfang kann man erstmal mit der ganz normalen Nadel einfach einmal von innen nach außen und wieder im nächsten Loch von außen nach innen und so weiter das erste machen. Dann geht man wieder zurück. Und bevor man wieder ganz von vorne anfängt, verknotet man die Enden und geht in die nächste Signatur. Da sticht man beim ersten Loch nach innen, dann nach außen, und jetzt sticht man durch den schon gewobenen Faden durch von der ersten Signatur.
Das ist wahrscheinlich, wenn man sich das im Video anschaut, total einfach und fürchterlich kompliziert gerade erklärt.
Und geht dann dadurch und geht wieder rein durch das gleiche Loch, geht im nächsten Loch wieder raus, wiederholt den Vorgang bis man ganz am Ende ist. Wenn man das letzte Mal wieder rauskommen würde, sticht man trotzdem durch die untere Signatur und dann in die neue, in die dritte dann ein. Das macht man solange, bis man entweder mit allen Signaturen fertig ist oder bis einem der Faden ausgeht. Dann macht man die ganze Sache mit dem Verknoten eben wieder.
Und dann hat man sozusagen diesen Buchblock. Der wird dann, wenn der fertig ist, an den Rändern verklebt, meistens mit Buchbindeleim, was sehr ähnlich ist zum Holzkleber, also PVC-Kleber. Dann wird das ganze gepresst und getrocknet, damit es wirklich schön zusammenhält, und dann kommen Endsheets oder Endpapers da drauf.
Man hat dann am Ende diese Endpapier oder Endsheets. Und die klebt man an einer ganz dünnen Klebekante an diesen Buchblock ran. Wenn man so ein Hardcover Buch sieht und das ganze mal aufmacht. Auch, wenn das maschinell gebunden ist, ist es trotzdem so, dass die Blätter den Umschlag und den Buchblock zusammenhalten, dass die so ein Stück Klebeleiste da dran haben.
Und dann muss man sich um den Umschlag kümmern. Man kann entweder sagen, okay, wenn die diese Endpapers stabil genug sind, dass man dann einfach fertig ist. Alternativ kann man natürlich so ein richtig schönes Hardcover drauf machen. Da wiederum ist es so, dass man den in drei Teilen erstmal zusammen bastelt. Man macht es also erstmal für die Vorderseite vom Buch, dann für den Buchrücken und für die Rückseite. Da nimmt man so festere Pappe, je nachdem wie fest das werden soll. Mittelalterliche Bücher haben auch gerne mal ein dünnes Stück Holz genommen, wenn da ein Ledereinband drüber soll. Aber wir halten es einfach, wir nehmen einfache Pappe. Dann schneidet man sich die zu. Wenn man die zuschneidet, kann man die ja bewusst so schneiden, dass sie ein bisschen überstehen. Allerdings nicht an der Seite wo der Buchrücken ist, da muss ich es ja aufklappen können. Aber an allen drei anderen Seiten kann man es ein bisschen überstehen lassen einfach zum Kantenschutz. Der Buchrücken kann auch oben und unten ein bisschen überstehen, aber eben maximal so breit, wie der Buchrücken von unserem Buchblock auch.
Jetzt sucht man sich dann ein relativ großes Stück Papier, das wirklich auch drauf passt. Wenn man jetzt ein DINA5-Notizbuch bindet, muss das mindestens DINA3 haben, sonst funktioniert es einfach nicht. Man klebt meistens eine Seite hin, lässt wirklich einen Rand, dass man das dann einschlagen kann, dass auch die Seiten von dem, von der Pappe schön bedeckt sind. Man klebt jetzt zum Beispiel die Buchrückseite und dann lässt man – je nachdem, wie dick das Buch ist – so fünf Millimeter Platz, klebt dann den Buchrücken, lässt wieder diese fünf Millimeter Platz und dann klebt man den anderen Teil.
Das wird erstmal nur drauf geklebt, wird wieder gepresst bis es trocken ist. Die Ecken werden umgeschlagen, das wird auch nochmal geklebt und gepresst bis es trocken ist.
Und dann erst wird der Buchblock in diesen Umschlag eingesetzt. Und da ist es wirklich so, dass man mit einer Seite anfängt, dass dieses Endpaper auf den Umschlag hinten drauf klebt. Und dann hat man ja dieses Stück zwischen zwischen Rückseite und Buchrückenteil, diese kleine Spalte lässt man einfach offen und der Buchrücken wird tatsächlich gar nicht ans Buch geklebt. Diese beiden Endpaper halten das Buch im Bucheinband. Und dann auf der anderen Seite das gleiche.
Das erfordert dann etwas Übung, da muss, das ist eine ganz, damit es schön aussieht, damit es schön gerade draufklebt. Da muss man einfach ein bisschen basteln bis das dann perfekt ist. Ich habe 20 Notizbücher gebraucht, bis es einigermaßen ordentlich aussah. Ich habe dann, wenn ich für mich selber Notizbücher gebunden habe, am Anfang mit der Vorderseite angefangen zu kleben, weil die erste Seite immer einfach zu kleben ist. Und da habe ich mir gedacht, hinten sieht man es nicht so.
Ja, und das sind so die Tipps, dann hat man eben das Buch gebunden. Dnn wieder erstmal pressen, trocknen lassen und dann kann man wahrscheinlich nach drei Tagen, weil man immer über Nacht trocknen hat lassen, kann man dann endlich sein erstes selbst gebundenes Notizbuch verwenden.
Wenn man das jetzt vom Umschlag her einfacher gestalten möchte, bietet sich der sogenannte Coptic Stitch an. Da wird der Bucheinband auch mit an den Buchblock gebunden. Da ist Buchrücken immer exponiert, also das ist dann der Nachteil dieser Bindemethode. Allerdings spart man sich einen Haufen Klebearbeit. Das sind so die zwei Methoden für Hobby-Buchbinder, die am verbreitetsten sind.
Wie lange braucht man, um ein Buch zu binden? Reine Arbeitszeit für ein Notizbuch mit vielleicht 60 Blatt, das sind ja dann trotzdem relativ viele Seiten, weil man ja pro Blatt vier Seiten dann hat: 2, 3, 4 Stunden auf jeden Fall. Und das ist nur der Buchblock erstmal. Der Bucheinband selber wahrscheinlich auch nochmal eine gute Stunde. Und während man den Bucheinband macht kann man ja theoretisch diese Endpaper auch wieder trocknen lassen.
Also ich würde sagen: Reine Arbeitszeit vielleicht 6 Stunden, 7 Stunden.“